Es gibt Menschen,

die nicht nur projizieren, sondern sich gleichzeitig hinter einer inneren Mauer verschanzen. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich jemanden, der mir sehr wichtig ist, fragte, warum er so unfreundlich reagiert. Seine Antwort war bemerkenswert offen. Er sagte: „Es ist wie eine Mauer. Eine neblige Mauer, die sich plötzlich hochzieht.“

Dieser Satz hat mich berührt. Denn er zeigt: Ein Teil in ihm weiß, dass da etwas zwischen ihm und der Welt steht. Eine innere Wand, die ihn abschirmt – vor Gefühlen, vor Nähe, vor Verletzung. Und genau diese Mauer sorgt dafür, dass er nicht wahrnimmt, wie er auf andere wirkt. Er spürt nicht, wie hart seine Worte sind. Er spürt oft nicht einmal, wie es in ihm selbst aussieht. Die Mauer trennt ihn von der Außenwelt – aber auch von sich selbst.

Wenn ein Mensch nicht fühlen will, wenn er bestimmte innere Regungen nicht berühren möchte, dann beginnt er, sich zu schützen. Unfreundlichkeit ist in solchen Momenten kein Charakterzug, sondern ein Abwehrmechanismus. Ein Schild. Eine Distanzierungstechnik. Sie hält andere auf Abstand, um nicht an die innere Wunde zu müssen. Doch gleichzeitig verhindert sie, dass echte Nähe entsteht.

Unsere Gedanken beeinflussen unsere Gefühle. Und unsere Gefühle beeinflussen unser Verhalten. Wir können mit unseren Gedanken uns selbst schwächen – oder uns selbst stärken. Und wir können andere stärken oder schwächen. Das liegt in unserer Verantwortung. Doch ein Mensch, der seine inneren Vorgänge nicht sehen will, spürt diese Zusammenhänge nicht. Er reagiert automatisch, reflexhaft, und setzt unbewusst eine neue Verteidigungsschicht oben drauf.

Das Tragische daran ist: Diese Mauern hören nicht auf. Wenn der Gesichtsverlust zu groß wird – wenn jemand merkt, dass er sich verrannt hat, dass sein Verhalten andere verletzt hat, dass er sich unglücklich verhalten hat –, dann zieht er nicht etwa die Mauer ein. Er baut die nächste. Die Schutzschicht wird dichter, härter, verschachtelter. Eine Maske über der nächsten. Ein Selbstbild, das immer weniger berührbar ist. Und je undurchsichtiger die Mauer wird, desto weniger kann der Mensch spüren, wie sehr er sich selbst verliert.

Und dabei verlieren diese Menschen oft ihre wichtigsten Beziehungen. Freunde, die lange Geduld hatten, entfernte Nähe behalten wollten, Verständnis aufgebracht haben, können irgendwann nicht mehr durch die Wand greifen. Denn irgendwann ist es genug. Freundschaft, Partnerschaft, Beziehung braucht Begegnung – und die wird durch Mauern unmöglich.

Was am Anfang ein Schutz war, wird am Ende zu einem Gefängnis.

 

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