„Nur wer das Licht auslöscht, gewahrt im Fensterviereck die Tiefe der Sternennacht.“

Dieses japanische Sprichwort erinnert uns an eine Wahrheit, die in unserer modernen Welt oft verloren geht: Die Dunkelheit ist nicht unser Feind. Sie ist ein Raum, der uns etwas schenken kann – Stille, Tiefe und die Möglichkeit, das eigene Licht wiederzuentdecken.

Die Dunkelheit als Ruhepol in einer Welt des Lichts

Unsere Welt ist hell geworden. Kunstlicht begleitet uns überall: Straßenlaternen, Bildschirme, Neonröhren. Selbst in der Nacht leuchtet der Himmel in einem dumpfen, künstlichen Glühen. Und wenn wir im Dunkeln etwas suchen, ist die Taschenlampe auf dem Handy schneller gezückt, als wir überhaupt versuchen, uns zu orientieren.

Doch je mehr Kunstlicht wir schaffen, desto mehr verlieren wir den Kontakt zu echtem Licht – und zu echter Dunkelheit. Wir haben verlernt, mit beiden umzugehen. Wir blenden das Dunkle aus, zünden künstliche Helligkeit an und setzen sogar die Sonnenbrille auf, wenn das Licht uns zu viel wird. Dabei verpassen wir etwas Wesentliches: Die Dunkelheit ist keine Leere, sondern ein Raum voller Möglichkeiten.

Die Dunkelheit der Rauhnächte – Ein Moment der Rückkehr

Die Wintersonnenwende und die Rauhnächte sind eine besondere Zeit. Die Tage sind kurz, die Nächte lang. Es ist eine Zeit, die uns einlädt, innezuhalten, das Tempo zu drosseln, das Außen auszuschalten – und die Dunkelheit bewusst zu erleben.

In der Dunkelheit finden wir etwas, das uns in der grellen Hektik des Alltags oft fehlt: Ruhe. Sie flackert nicht. Sie blinkt nicht. Sie raubt uns nicht die Aufmerksamkeit mit unzähligen Impulsen. Sie ist einfach da. Eine beruhigende Tiefe, die uns einlädt, unsere Gedanken zu sortieren, unsere Seele zur Ruhe kommen zu lassen und uns selbst wieder zu spüren.

Das eigene Licht im Dunkeln entdecken

Doch Dunkelheit ist mehr als nur eine Pause vom Licht. Sie hat eine Kraft, die wir nur erkennen, wenn wir uns auf sie einlassen. Wenn die äußere Welt dunkel wird, können wir das Licht in uns selbst wahrnehmen. Es ist kein Licht, das blendet oder flackert. Es ist ein stilles, ruhiges Leuchten – das Licht unserer Gedanken, unserer Intuition, unserer inneren Wahrheit.

Die Dunkelheit zeigt uns auch das Licht der anderen: die Sterne am Himmel, das warme Leuchten einer Kerze, das Funkeln in den Augen eines Menschen, der uns wichtig ist. Aber wir sehen diese Lichter nur, wenn wir das künstliche Licht ausmachen, das uns oft davon abhält, tiefer zu schauen.

Warum wir die Dunkelheit brauchen

Die Dunkelheit zwischen den Jahren ist eine Einladung. Eine Einladung, die Taschenlampe wegzulegen und die Kunst zu lernen, im Dunkeln zu sehen. Nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen.

Es ist auch eine Einladung, das eigene Tempo zu hinterfragen. Müssen wir wirklich immer alles erleuchten, immer alles sichtbar machen? Oder dürfen wir uns in die Dunkelheit lehnen und ihre beruhigende Wirkung spüren?

Denn genau in dieser Dunkelheit können wir die Sterne sehen. Wir können das Licht der Welt erkennen – und das Licht, das in uns selbst leuchtet.

Fazit: Das Geschenk der Dunkelheit

Die Wintersonnenwende und die Rauhnächte erinnern uns daran, dass Dunkelheit kein Mangel ist. Sie ist ein Geschenk. Sie schenkt uns die Möglichkeit, still zu werden, das Außen loszulassen und unser Inneres zu beleuchten.

Löschen wir das Licht aus. Schauen wir hinaus in die Tiefe der Sternennacht. Spüren wir die Dunkelheit nicht als Feind, sondern als Verbündete, die uns zeigt, was wirklich leuchtet – in der Welt, in den anderen und in uns selbst.

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