Unten, an der Rezeption, sitzt sie.
Hinter Glas, mit Headset, Blick auf den Monitor, Überblick über alles. Sie weiß, wer kommt. Sie weiß, wer geht. Sie kennt die Abläufe, die Hierarchien, die Gewohnheiten. Und sie weiß vor allem, wer nicht gestört werden will. Nein, er hat keine Zeit. Der Vorstand ist nicht erreichbar. Die Geschäftsführung ist in einem wichtigen Termin. Vielleicht später, vielleicht nächste Woche – vielleicht nie. Die Botschafter werden höflich abgewiesen. Der Zugang bleibt verwehrt.
Was früher der Burghof war, ist heute die Empfangstheke. Was früher der Wassergraben war, ist heute der Hausausweis. Die Trutzburgen haben sich modernisiert. Die Mauern stehen nicht mehr aus Stein, sondern bestehen aus Kalendern, Outlook-Regeln, Assistenzen, Gatekeepern. Man kommt nicht durch. Nicht einfach so. Wer etwas zu sagen hat, muss kämpfen, muss bitten, muss warten – und wird oft trotzdem nicht gehört.
Dabei waren es in den historischen Höfen oft gerade die Hofnarren, die Buffons, die unbequem waren, aber gehört wurden. Manchmal. Heute? Heute wird kaum noch jemand vorgelassen, der nicht schon Teil des inneren Zirkels ist. Es zählt, wer dazugehört. Wer passt. Wer stört, wer unbequem wird, wer Fragen stellt, wird aussortiert. Nach unten delegiert. An die Wand gefahren. Oder höflich ignoriert.
In Zeiten massiver Umbrüche ist das eine Katastrophe. Genau jetzt wäre Zuhören entscheidend. Nicht nur dort, wo es angenehm ist – sondern genau dort, wo es wehtut. Aber stattdessen: Rückzug. Abschottung. Hochsicherheitszonen auf Führungsebene. Eine Trutzburg aus Glas und Beton, aus Regeln und Rollen, aus Privilegien und Pseudoprozessen.
Und von oben? Kommen leere Phrasen. Öffentliche Schreiben, in denen man das mittlere Management verantwortlich macht. Pompöse Appelle an Werte und Tradition, an Haltung und Verantwortung. Doch was heißt das eigentlich? Wer lebt diese Werte? Wer zeigt Haltung, wenn es unbequem wird?
Viele Führungsetagen gleichen heute mehr einem exklusiven Club als einem offenen System. Einem Ort der Selbstverwaltung, der Selbstbeweihräucherung. Subventionen als Schmiermittel. Kommunikation als Zurschaustellung. Entscheidungen als Machtspiel. Der Rest bleibt draußen.
Es ist an der Zeit, die Mauern einzureißen. Es ist an der Zeit, die Trutzburgen zu verlassen. Und denen zuzuhören, die nicht in der ersten Reihe stehen. Gerade denen.