Selbstlüge – ein Wort,

das auf den ersten Blick wie eine paradoxe Konstruktion wirken mag, aber tief in uns allen schlummert. Es ist die Fähigkeit, uns selbst Geschichten zu erzählen, die uns schützen, stärken oder vor der Konfrontation mit unangenehmen Wahrheiten bewahren sollen. Diese Selbstlüge ist in gewisser Weise eine Überlebensstrategie, ein Schutzmechanismus unseres Geistes, der uns davor bewahren soll, von unseren Ängsten, Unsicherheiten oder Zweifeln überwältigt zu werden.

Doch was passiert, wenn die Selbstlüge zur Wahrheit wird? Wenn das „Als-ob“ unser ganzes Sein durchdringt und wir beginnen, in einer Welt zu leben, die auf Lügen basiert – die wir uns selbst erzählen?

Die Normalität der Selbstlüge

Für viele Menschen ist die Selbstlüge alltäglich. Es wird gesagt:

  • „Ich habe keine Angst.“

  • „Das macht mir nichts aus.“

  • „Das werde ich angehen, morgen, irgendwann.“

Sätze wie diese sind oft schneller ausgesprochen, als sie hinterfragt werden können. Es ist einfacher, stark zu wirken, als Schwäche zu zeigen. Einfacher, zu versprechen, als einzuräumen, dass die Energie fehlt. Die Selbstlüge wird normal, weil sie uns hilft, unsere Fassade aufrechtzuerhalten – sei es privat, in Beziehungen oder beruflich im Team.

Doch was passiert mit der Selbstlüge, wenn sie alles durchdringt? Was, wenn wir irgendwann nicht mehr erkennen, dass es eine Lüge ist? Wenn das, was wir uns vormachen, zur Grundlage unseres Handelns wird?

Verantwortung und die Gefahr der inneren Entfremdung

Gerade Menschen, die viel Verantwortung tragen – für Teams, Projekte, Familien oder sich selbst – sind besonders gefährdet. Die Erwartungen von außen können dazu führen, dass die Selbstlüge zur unverzichtbaren Begleiterin wird. „Ich bin stark, ich halte das durch.“ Das sind nicht nur Worte, sondern ein Anspruch, den sie an sich selbst stellen. Doch tief im Inneren wächst oft die Kluft zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie fühlen.

Diese Kluft kann zu einem Zustand der inneren Entfremdung führen, in dem wir die Verbindung zu uns selbst verlieren. Es wird immer schwerer, authentisch zu sein, weil wir nicht mehr wissen, wie sich die Wahrheit überhaupt anfühlt.

Der Weg in die Wahrheit: Gnadenloses Hinschauen

Die Rückkehr zur Wahrheit ist keine leichte Aufgabe. Es bedeutet, gnadenlos hinzuschauen, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich mit dem zu konfrontieren, was wir über uns selbst erzählt haben. Ein möglicher erster Schritt: die eigenen Worte festhalten.

  • Schreibe auf, was du sagst – zu dir selbst, zu anderen.

  • Lies es dir laut vor.

  • Frage dich: „Stimmt das wirklich? Fühle ich das? Will ich das?“

Diese Übung ist oft unbequem, denn sie deckt auf, wo wir uns selbst betrügen. Doch sie ist essenziell, um Klarheit zu gewinnen. Wenn wir beginnen, unsere Selbstlügen zu entlarven, schaffen wir Raum für das, was wirklich ist.

Wahrheit als Grundlage für Vertrauen

Gerade für Menschen, die als verlässlicher Partner oder Führungskraft gelten, ist diese Ehrlichkeit von entscheidender Bedeutung. Teams, Beziehungen und Organisationen bauen auf Vertrauen auf – doch echtes Vertrauen kann nur entstehen, wenn die Wahrheit im Spiel ist.

Wenn wir uns selbst erlauben, ehrlich zu sein, auch mit unseren Schwächen und Ängsten, geben wir anderen die Erlaubnis, das Gleiche zu tun. Echtheit inspiriert Echtheit. Die Wahrheit, so unbequem sie manchmal ist, wird zur Basis für echte Stärke – persönlich wie beruflich.

Fazit: Der Mut zur Ehrlichkeit

Der Weg aus der Selbstlüge beginnt mit dem Mut, hinzuschauen und ehrlich zu sich selbst zu sein. Es ist kein einfacher Weg, aber einer, der uns letztlich zu uns selbst zurückführt. Die Wahrheit ist keine Schwäche. Sie ist die Grundlage für Authentizität, Vertrauen und echte Verbindung – mit uns selbst und mit anderen.

Die Frage ist nicht, ob wir uns manchmal selbst belügen. Das tun wir alle. Die Frage ist, ob wir bereit sind, es zu erkennen – und den Mut haben, uns von der Lüge zu lösen.

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