„Lass doch einfach los.“

Wie oft hören wir diesen Satz, leicht dahingesagt, als wäre Loslassen ein sanfter, fast müheloser Akt. Als wäre es nur eine Frage des Willens, der Entscheidung, die Hände zu öffnen und weiterzugehen. Doch Loslassen ist alles, nur nicht einfach. Es ist keine passive Übung, kein meditativer Moment mit geschlossenen Augen und Räucherstäbchen. Loslassen ist ein verdammt anstrengender, intensiver Prozess, der oft wehtut, der reißt, der verletzt – und der uns am Ende doch transformieren kann.

Loslassen heißt, die Splitter des Lebens zu spüren

Loslassen bedeutet nicht nur, Dinge loszuwerden, die wir nicht mehr brauchen. Es bedeutet, etwas zu verlieren, das uns tief geprägt hat, das Teil unserer Geschichte, unserer Träume, unserer Hoffnungen war. Es bedeutet, mit der Wahrheit zu ringen, dass das, was wir wollten, nicht mehr möglich ist. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass das Haus, in dem du deine Kinder großziehen wolltest, nicht mehr dein Zuhause sein wird. Es bedeutet, mit Tränen im Gesicht am Bett eines geliebten Menschen zu sitzen und ihn gehen zu lassen.

Loslassen kann so aktiv sein, dass es uns zerreißt. Es ist, wenn dein Wohnmobil, dein Rückzugsort, im Feuer aufgeht. Es ist, wenn jemand bei dir einbricht, und du spürst, wie dein Gefühl von Sicherheit zerschmettert wird. Es ist, wenn du als Führungskraft erkennst, dass deine bisherigen Glaubenssätze nicht mehr greifen, und du dich der schmerzhaften Realität stellen musst, dass du umdenken, umlernen musst.

Loslassen ist kein sanftes Öffnen – es ist ein Zerbrechen

Die Welt malt uns oft ein Bild des Loslassens, das mit Leichtigkeit verbunden ist. Doch Loslassen bedeutet, zu akzeptieren, dass die Splitter des Lebens Wunden reißen. Dass Worte anderer, so schmerzhaft sie auch sind, Wahrheiten in sich tragen können, die dein Herz berühren und es zerbrechen lassen. Es ist, wenn all deine Interpretationen und Versuche, eine Situation zu bewältigen, ins Leere laufen und du erkennst: Ich muss das loslassen, ich kann es nicht ändern.

Dieses Loslassen ist nicht passiv. Es ist ein innerer Kampf, ein Gehen durch das Feuer, ein Aushalten des Schmerzes. Es ist, wie durch einen Sturm zu laufen, ohne zu wissen, ob du auf der anderen Seite ankommst.

Loslassen heißt, sich dem Prozess hinzugeben

Loslassen ist keine Flucht. Es ist kein Sich-Ergeben. Es ist das Akzeptieren, dass wir durch den Schmerz, die Wahrheit und die Prozesse hindurchgehen müssen, die das Leben uns aufträgt. Es bedeutet, hinzuschauen, nicht wegzusehen. Es bedeutet, die Wunden zu spüren, die Narben anzunehmen und sich der Läuterung hinzugeben. Loslassen fordert uns auf, uns nicht zurückzuziehen, sondern mutig nach vorne zu gehen – auch wenn es bedeutet, zu zerbrechen, um neu geformt zu werden.

Der Phönix aus der Asche – das Geschenk des Loslassens

Und dann, nach all dem Ringen, dem Schmerz und dem Durchleben des Prozesses, kann das Loslassen uns zu etwas Neuem führen. Es ist nicht die leichte, blumige Transformation, die uns oft vorgegaukelt wird. Es ist das langsame Wiederfinden der eigenen Stärke, das behutsame Aufstehen aus der Asche. Es ist der Phönix, der aus den Flammen emporsteigt, mit neuer Kraft, neuer Klarheit und neuem Mut.

Doch dieser Moment des Wiederaufstehens kommt nicht, weil wir einfach nur die Hände geöffnet haben. Er kommt, weil wir den Mut hatten, alles zu spüren, alles zu durchleben, alles anzunehmen. Weil wir bereit waren, uns mit allem auseinanderzusetzen, was uns das Leben zumutet – und trotzdem weiterzugehen.

Loslassen ist Leben

Loslassen ist kein simpler Akt. Es ist Leben. Es ist, die Schönheit und den Schmerz des Lebens gleichermaßen anzunehmen. Es ist, zu kämpfen, zu weinen, zu akzeptieren, und dann wieder aufzustehen. Es ist, den Weg des Phönix zu gehen, den Mut zu haben, in den Flammen zu stehen, und zu wissen: Ich komme da durch. Und ich werde neu daraus hervorgehen.

Das ist Loslassen. Es ist ein Prozess, der uns zutiefst menschlich macht – und zutiefst lebendig.

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