Da sitzen sie, die Führungskräfte in den unteren Ebenen,

mit einem tiefen Verständnis für die Prozesse, mit einem klaren Bild davon, was funktioniert und was nicht – und einem echten Bedürfnis, Dinge zu verbessern. Sie sehen die Probleme im Management, spüren die Auswirkungen auf die Kunden und erleben hautnah die Unzufriedenheit in den eigenen Teams. Und dann geschieht es: Statt stolz auf das Unternehmen zu sein, beginnen sie, sich zu schämen – oder genauer gesagt, fremdzuschämen. Für Entscheidungen und Fehler, die sie nicht selbst verursacht haben, aber die sie Tag für Tag ausbaden müssen.

Fremdschämen als Ausdruck der eigenen Ohnmacht

Fremdschämen ist kein leichtes Gefühl. Es bringt ein tiefes Unbehagen mit sich und eine Art stille Frustration. Denn die Führungskräfte und Mitarbeitenden, die sich schämen, haben häufig klare Ansichten darüber, was getan werden müsste, um die Situation zu verbessern. Sie haben die Ideen, das Know-how und oft auch die Motivation, etwas zu ändern. Doch es fehlt die Möglichkeit, den Impuls nach oben durchzubringen. Stattdessen sehen sie, wie das Management die Probleme entweder nicht wahrnimmt oder sich nicht dazu bewegt, tiefgreifende Veränderungen anzugehen.

Scham als Barriere zur Identifikation

Sich fremdzuschämen für das Unternehmen ist wie eine innere Distanz, die sich langsam aufbaut. Diese Distanz hat weitreichende Folgen: Das Gefühl der Identifikation – also der Stolz, Teil des Unternehmens zu sein – wird zunehmend erodiert. Statt sich als Teil einer erfolgreichen Organisation zu fühlen, schwingt unterschwellig der Gedanke mit, „Das ist nicht mein Weg, und das ist nicht mein Fehler – aber trotzdem muss ich damit leben.“ Das führt dazu, dass Mitarbeitende beginnen, sich innerlich abzuwenden. Sie verlieren die Motivation und das Engagement, das sie eigentlich bereit sind, zu geben.

Was Fremdschämen mit der Arbeitsleistung macht

In dieser Situation leiden die Motivation und auch die Leistung. Wenn Mitarbeitende sich für die Entscheidungen „von oben“ schämen, beginnen sie, sich zurückzuziehen, nur noch das Nötigste zu tun und nicht mehr aktiv nach Lösungen zu suchen. Sie erleben, dass ihre Ideen und Anstrengungen versanden – eine ungenutzte Kompetenz, die den Mitarbeiter frustriert und dem Unternehmen langfristig schadet.

Das Fremdschämen sorgt dafür, dass Mitarbeitende ihre Energie nicht mehr in die Arbeit stecken, sondern in eine innere Auseinandersetzung, in eine Form der Selbstverteidigung gegen die Scham. Es ist das Gefühl, täglich „den Kopf hinzuhalten“ für das, was man selbst nicht verantwortet – eine schmerzhafte Form der Ohnmacht, die jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter nur schwer aushält.

Die Konsequenz: Ein Unternehmen, das das Vertrauen verliert

Am Ende steht nicht nur ein Schaden für die persönliche Motivation der Mitarbeitenden, sondern auch für das Vertrauen in das Unternehmen selbst. Wenn die Führung an der Spitze keine Verantwortung für die Konsequenzen ihres Handelns übernimmt und sich nicht in die Tiefe bewegt, verliert sie die Unterstützung und das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden. Der Schaden zeigt sich im Umgang mit Kunden und im Ruf des Unternehmens, denn die Unzufriedenheit lässt sich nur schwer verbergen.

Ein Appell an die Führung: Verantwortung ernst nehmen

Es braucht eine Führung, die versteht, was es bedeutet, Verantwortung zu tragen – für die eigenen Mitarbeitenden, für das Unternehmen und für die Kunden. Wer echte Verantwortung übernimmt, hat die Pflicht, zuzuhören und die Rückmeldungen derer zu beachten, die am engsten mit den Kunden und Prozessen arbeiten. Denn nichts ist gefährlicher für eine Organisation, als wenn ihre eigenen Leute den Glauben an sie verlieren.

Wenn Führungskräfte sich mit den Ideen und Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden ernsthaft auseinandersetzen, können sie verhindern, dass diese sich schämen müssen.

Stattdessen entsteht ein gemeinsames Verständnis, ein Raum für Wachstum und ein Stolz auf das, was das Unternehmen wirklich ausmacht.

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