Es ist ein weit verbreitetes Ritual in Trainings:

Der Trainer beginnt, Fragen zu stellen. „Wer hat schon mal…?“, „Was fällt Ihnen dazu ein?“, „Welche Erfahrungen haben Sie?“ Die Teilnehmenden antworten, der Trainer sammelt liebevoll auf Moderationskarten oder notiert die Antworten an der Flipchart. Und dann?

Das Problem mit den Fragen zu Beginn

Was passiert, wenn die Antworten nicht die richtigen sind? Was, wenn die Teilnehmenden nicht das sagen, was du als Trainer hören möchtest? Du bist schließlich der Experte – du weißt, welche Punkte zentral sind. Doch genau hier zeigt sich der erste Fehler: Der Einstieg ins Thema wird abhängig gemacht von der Gruppe und ihren Antworten.

Das Ergebnis? Ein vages Sammelsurium von Halbwissen, das am Ende nur eins vermittelt: Unsicherheit. Denn wenn die wichtigen Punkte nicht genannt werden, liegt es am Trainer, sie „nachzuschieben“. Plötzlich wirkt es, als ob die Teilnehmenden nicht wüssten, worum es geht – oder schlimmer, als ob der Trainer selbst unsicher ist.

Warum Fragen nicht immer führen

„Wer fragt, der führt“, heißt es oft. Aber im Training ist das nicht immer wahr. Fragen können Teilnehmende aktivieren, sie können Diskussionen anregen – aber sie sollten nicht das Fundament des Trainings sein. Insbesondere am Anfang.

Stell dir vor, du startest eine Trainingseinheit. Die Teilnehmenden sitzen da, gespannt, neugierig. Und statt ihnen einen kraftvollen Einstieg zu bieten, fragst du: „Was wissen Sie über dieses Thema?“ Diese Frage mag höflich wirken, vielleicht sogar einladend, aber sie ist nicht inspirierend. Sie zieht das Thema auf ein Alltagsniveau, bevor es überhaupt begonnen hat.

Ein besserer Einstieg: Inspiration statt Fragen

Am Anfang eines Trainings sollte immer etwas stehen, das die Teilnehmenden mitreißt:

    • Eine spannende Inhaltspräsentation: Zeig ihnen, warum das Thema relevant ist. Gib ihnen einen Einblick in etwas, das sie noch nicht wussten, etwas, das sie begeistert.

    • Ein Mind-Opener: Stelle eine provokative These oder teile eine außergewöhnliche Geschichte, die ihre Perspektive öffnet.

    • Eine starke Visualisierung: Ein Bild, ein Diagramm oder ein Modell, das sofort klar macht, warum das Thema wichtig ist.

Der Einstieg sollte die Grundlage legen. Es geht darum, die Aufmerksamkeit zu gewinnen und den Rahmen zu setzen – nicht darum, Fragen zu stellen, auf die die Gruppe möglicherweise keine Antwort hat.

Fragen gezielt einsetzen

Das bedeutet nicht, dass Fragen im Training keinen Platz haben. Im Gegenteil: Fragen sind ein mächtiges Werkzeug, wenn sie richtig eingesetzt werden.

    • Exquisit und punktgenau: Stelle Fragen, die die Teilnehmenden wirklich zum Nachdenken bringen, die Diskussionen anregen oder neue Perspektiven eröffnen.

    • Zum richtigen Zeitpunkt: Fragen gehören in die Reflexions- oder Vertiefungsphasen, nicht in den Einstieg.

    • Offen und neugierig: Stelle Fragen, bei denen es nicht um „richtige“ Antworten geht, sondern darum, die Teilnehmenden zum eigenständigen Denken zu bringen.

Warum Trainer nicht alle Antworten haben müssen

Es ist nicht deine Aufgabe, auf jede Frage eine Antwort zu haben. Im Gegenteil: Die besten Trainer wissen, dass sie nicht alles wissen müssen. Stattdessen schaffen sie Räume, in denen die Teilnehmenden selbst nach Antworten suchen können.

Deine Aufgabe ist es, den Weg zu weisen, nicht alles vorzugeben. Es ist völlig in Ordnung zu sagen: „Das ist eine spannende Frage. Was denken Sie?“ oder „Lassen Sie uns das gemeinsam herausfinden.“ Authentizität und Offenheit machen dich glaubwürdiger, als den Anschein zu erwecken, alles wissen zu müssen.

Zusammenfassung: Weg vom Frage-Onkel, hin zum Inspirator

Fragen können ein wertvolles Werkzeug sein – aber sie sollten nicht deinen Einstieg oder deine Autorität als Trainer ersetzen. Beginne mit Inspiration, mit Inhalt, mit etwas, das die Teilnehmenden packt. Nutze Fragen gezielt, um Reflexion und Diskussion zu fördern, nicht, um Wissen abzufragen.

Und am wichtigsten: Sei nicht der Frage-Onkel, sondern der Trainer, der inspiriert, aktiviert und Teilnehmende ins Handeln bringt. Denn genau das macht dich unvergesslich.

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