Lehrer zu sein hat viele Vorteile.

Ich sitze im gemachten Nest des Beamtenstatus. Ich kann leichtfüßig über diesen Erdball gehen, ohne Angst um meine Existenz. Und manchmal, wenn ich ehrlich bin, macht mich das übermütig. Vielleicht verliere ich dadurch sogar ein wenig die Bodenhaftung, weil ich gar nicht mehr so viel zu verantworten habe.

Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Was mir jetzt bewusst geworden ist – was mir fast den Atem raubt, wenn ich in die Augen meiner Schüler blicke, gerade der Älteren, der Pubertierenden – ist etwas anderes: Ich habe den Kindern Angst vor Gott gemacht.

Schuld. Sünde. Strafe.
Davon habe ich gesprochen.

Ich habe ihnen nicht von der Güte erzählt. Nicht von der Hoffnung. Nicht von der Liebe, die ich doch selbst einst gespürt habe.

Jesus ist – wenn ich ganz ehrlich bin – ein Symbol der Hoffnung. Ein Halt in schweren Stunden. Ein Licht, an das wir uns anlehnen können. Und doch habe ich ihn verzerrt. Habe ihn zum Richter gemacht, zum strengen Beobachter, der straft und misst.

„Gott sieht dich. Gott wird dich richten.“

Wie oft habe ich das gesagt? Wie oft habe ich Kindern damit Furcht eingejagt, wo ich ihnen hätte Trost schenken sollen?

Ich habe einen gruseligen Mann aus Jesus gemacht.
Einen Gott, vor dem man sich fürchten muss.
Und das war falsch.

Wie gut, dass ich es jetzt erkenne. Denn das Blatt kann sich wenden.

Ab heute werde ich anders sprechen. Ab heute werde ich von der Güte erzählen, von der Liebe, von der Kraft, die darin steckt. Ich werde meinen Schülern das vermitteln, was ich einst selbst erfahren habe: dass Jesus kein Herrscher ist, dem man sich unterwerfen muss, sondern ein Licht, das uns trägt.

Ja, es gibt diese strengen Stimmen in der Kirche, die von Furcht sprechen, von Unterwerfung, von Gottes Strafe. Aber das ist nicht meine Wahrheit. Für mich bedeutet Glauben nicht, mich zu ducken, sondern aufzublicken – mit Freude, mit Befreiung, mit Erhabenheit, weil es mich als Mensch groß macht.

Heute werde ich es sagen. Laut. Vor meinem Kollegium, vor meinem Rektor, vor meinen Schülern. Heute fangen wir an, über die schöne Seite der Religion zu sprechen.

Über die Güte Jesu.
Über die Liebe zum Menschen.
Über die Liebe zur Natur.

Ich hoffe, dass mein Eingeständnis noch rechtzeitig kommt.
Ich hoffe, dass die Kinder mit einem guten Gefühl durchs Leben gehen – dass sie sich sicher fühlen, dass sie sich getragen fühlen.

So wie ich einst.

Manchmal braucht es dieses Eingeständnis. Manchmal braucht es eine Entschuldigung. Und dann kann es weitergehen.

Danke, Amen, Gott, dass du mich hierher geführt hast – in Demut.

Viktor Schmidt
Religionslehrer

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