Liebe Frauen, liebe Männer, liebe Menschen,
ich schreibe euch diesen Brief, um mich zu entschuldigen.
Für das, was ich ins Leben gerufen habe. Für das, was aus einer kleinen künstlerischen Vision geworden ist – eine Industrie, die nicht ohne Leid existiert.
Ich bin Jonathan Voss, und man sagt, ich hätte die moderne Pornoindustrie gegründet. Angefangen habe ich mit einer Idee, die ich für harmlos hielt. Vielleicht sogar für kreativ. Es war ein Abenteuer, das immer größer wurde. Doch mit der Zeit wurde aus der kleinen Welle ein Tsunami. Ein Tsunami, der viel zerstört hat.
Ich habe nicht nur Filme produziert. Ich habe Bilder geschaffen, die sich in die Köpfe von Millionen gebrannt haben. Bilder, die Fantasien befeuert haben – machtvolle, brutale, oft menschenverachtende Fantasien. Ich weiß, dass wir damit einen Raum geöffnet haben, in dem Machtmissbrauch und Erniedrigung zur Unterhaltung wurden.
Ja, es gibt Menschen, die durch diese Filme das Gefühl hatten, etwas zu befreien. Vielleicht sogar ein Stück persönliche Freiheit zu entdecken. Doch war es wirklich Freiheit? Oder nur die Illusion davon?
Natürlich ist die Befreiung der Sexualität ein wichtiger Schritt in unserer Geschichte gewesen. Menschen wie Beate Uhse haben Türen geöffnet und die Auseinandersetzung mit Sexualität enttabuisiert. Und das war notwendig. Das war gut.
Aber wie immer macht die Dosis das Gift.
Und ich frage mich: Wo war der Punkt, an dem wir die Kontrolle verloren haben?
Ich kenne die Geschichten von Frauen, die sich Schönheitsoperationen unterzogen haben, um wie die Darstellerinnen auszusehen. Ich weiß von Männern, die durch diese Filme verlernt haben, echte Nähe zu spüren. Und von Jugendlichen, die zum ersten Mal einen Porno sahen, lange bevor sie jemanden geküsst haben – und nie die Chance bekamen, eine gesunde, natürliche Sexualität zu entwickeln.
Das tut mir leid.
Wir haben künstliche Welten erschaffen und sie den Menschen vor die Füße gelegt. Bilder von Perfektion und Macht. Bilder, die mit der Realität nichts zu tun haben. Bilder, die Beziehungen zerstört haben.
Was passiert mit einem Paar, das erst seit zwei oder drei Monaten zusammen ist und beschließt, einen Porno zu schauen?
Was passiert mit der Zartheit dieser Beziehung, wenn plötzlich diese inszenierten Fantasien dazwischenstehen?
Haben wir wirklich keine eigene Fantasie mehr? Keine eigenen Wege, um etwas Kostbares zwischen uns zu schaffen?
Es tut mir leid, dass wir euch diese Illusionen verkauft haben. Dass wir euch glauben gemacht haben, die Antwort auf eure tiefsten Bedürfnisse liege in einem Bildschirm.
Ich habe das Geld genossen. Den Erfolg. Die Macht. Die Ideen in meinem Kopf hörten irgendwann nicht mehr auf. Es war ein Rausch. Aber dieser Rausch hat nicht nur anderen geschadet – er hat auch mich zerstört.
Er hat meine Beziehungen zerstört. Meine Fähigkeit, wirklich zu lieben.
Und noch viel schlimmer: Er hat Frauen und Männer verletzt, die in diese Industrie hineingezogen wurden. Ihnen wurden Versprechen gemacht – dass sie es weit bringen könnten, dass sie berühmt würden. Aber am Ende wurden sie ausgenommen. Missbraucht. Zurückgelassen mit körperlichem und seelischem Schmerz.
Diese Industrie hat Milliarden verdient – auf Kosten von Menschenleben.
Und das ist nicht das, was Liebe sein sollte. Liebe ist das, was wir miteinander gestalten. Liebe ist Zärtlichkeit, Berührung, Vertrauen. Liebe wächst in der Stille. Im Schutz einfacher Begegnungen. Auf Klassenausflügen, auf Vereinsfahrten, in einem gemeinsamen Kinosaal oder einem schüchternen Moment im eigenen Zimmer.
Ich schäme mich dafür, dass ich das zerstört habe. Dass ich mitgeholfen habe, diese Bilder in die Welt zu bringen.
Ich hoffe, dass ihr nach diesem Geständnis nachdenkt. Dass ihr hinterfragt, ob diese Industrie wirklich das ist, was wir brauchen. Ob wir nicht viel mehr die Freiheit brauchen, uns selbst zu entdecken. Ohne Bilder. Ohne Inszenierungen. Einfach nur… als Menschen.
Jonathan Voss