Ihr Lieben,
meine geliebten Kinder.

Ich sitze allein. Es ist mal wieder einer dieser Abende, an denen ich nachdenke. Über alles, was war. Über alles, was hätte anders sein können.

Euer Vater und ich – wir haben den gemeinsamen Weg nicht gefunden. Und ich weiß, ich ahne, was das für euch bedeutet hat. Ihr habt kein sicheres Elternhaus gehabt. Keine Eltern, die unerschütterlich zusammenstehen. Unsere Zwistigkeiten, unsere Kämpfe, unser Streit – sie haben alles überschattet. Und ich kann mir kaum ausmalen, wie sehr das eure Kindheit geprägt hat.

Ich habe lange geschwiegen. Ich habe mich zurückgehalten, nicht gewusst, was der richtige Weg ist. Ich habe zugelassen, dass ihr Dinge erlebt, die man Kindern nicht zumuten sollte.

Ich weiß, dass ihr Angst hattet.

Ich weiß, dass ihr in euren Zimmern gelegen habt, die Decke über den Kopf gezogen, wenn wir unten schrien. Ich weiß, dass die Wände unseres Hauses nicht dick genug waren, um euch vor dem Lärm zu schützen.

Und ich habe euch kein ruhiges Zuhause geben können.

Dabei war das mein größter Wunsch. Euch eine Kindheit schenken, wie ich sie selbst nie hatte. Ein Zuhause bauen, das sicher ist, voller Wärme, voller Liebe.

Aber ich konnte es nicht. Ich wusste nicht, wie.

Ich habe meine Kraft überschätzt. Ich habe gehofft, dass ich es durchhalte, dass ich es schaffe. Aber ich habe es nicht geschafft.

Ich bin laut geworden. Ich war giftig. Ich habe geschrien, gestampft, Dinge geworfen. Ich war streng, zu streng, oft ungerecht. Ich habe von euch etwas verlangt, das ich selbst nicht konnte: Kontrolle, Ruhe, Gelassenheit.

Und jetzt? Jetzt seid ihr ausgeflogen. Ihr geht euren eigenen Weg. Ihr seid bei euren Freunden, in euren Unternehmungen – und ich sitze allein. Mit meinen Gedanken.

Und ich weiß noch nicht, wie ich euch das sagen soll.

Vielleicht lade ich euch alle auf eine Pizza ein. Vielleicht setze ich mich zu euch an den Tisch und spreche endlich aus, was ich jetzt so deutlich fühle:

Es tut mir leid.

Ich wollte es besser machen. Aber ich konnte es nicht. Und ich weiß, dass ich mir das vielleicht selbst verzeihen muss, bevor ich euch darum bitten kann.

Ich blättere durch die Erinnerungen in meinem Kopf wie durch ein altes Fotoalbum. Seite für Seite. Und bei jeder denke ich: Da hätte ich besser sein können. Aber Perfektionismus ist kein guter Begleiter im Leben.

Was ich euch aber sagen kann:

Ich liebe euch.

Ich bin so stolz auf euch. So unendlich stolz. Und wenn ich euch anschaue, sehe ich, dass aus euch wundervolle Menschen geworden sind. Trotz allem.

Und ja, ich habe euren Vater geliebt. Vielleicht liebe ich ihn immer noch, auf eine Weise, die nicht mehr in unser Leben passt. Ihr seid der Ausdruck dieser Liebe.

Auch wenn wir es nicht besser geschafft haben.

Und das wollte ich euch jetzt sagen.

Meine Lieben,
meine geliebten Kinder.

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