Liebe Bürgerinnen und Bürger von Optimistan,
Wahrscheinlich ist es schon zu spät, diese Zeilen an mein Volk zu schreiben.
Dieses Volk, dem ich mich mit allen Facetten meiner Verantwortung unterworfen habe – zumindest offiziell, in der Form. Dienen sollte ich ihm. Und was habe ich getan? Ich lasse es bluten, ich führe es an der Nase herum.
Wie kann ein Mensch einen Zug noch anhalten, der mit Volldampf in den Abgrund rast? Und ich stehe an der Spitze dieses Zuges, ich bin verantwortlich für diese Talfahrt. Meine Güte, was habe ich alles getan, was ich jetzt bereue. Oder nicht? In mir ist ein Wirrwarr, dessen ich nicht mehr Herr werde.
Mein Herz bricht, wenn ich die Ehrlichkeit in mir zulasse, die ich so lange ignoriert habe. Warum nur, bin ich so verblendet, so wenig im Einklang mit dem, was es bedeutet, dieses einstmals blühende Optimistan in eine bessere Zukunft zu führen? Wache ich jetzt erst auf, oder waren meine Beweggründe schon immer so fehlgeleitet?
Das Schlimmste ist, dass ich mich kaum noch im Spiegel betrachten kann. Die Scham ist zu groß geworden. Jetzt, wo die inneren Dämme der Selbstreflexion brechen, wie damals der Fluss im Tal über seine Ufer trat, verschieben sich auch meine inneren Grenzen.
Man könnte sagen, dass es nicht leicht ist, ein Volk durch diese Zeiten zu führen. Ja, es ist nicht leicht. Aber ich hatte alle Möglichkeiten. Es gab so viele Ressourcen, um weise zu entscheiden. Doch immer wieder war da dieses „eigentlich“. Dieses Wort, das mir die Tür zur Ausrede aufhielt. Wie auch meine Vergesslichkeit, die ich an den Tag legte, wenn es brenzlig wurde. Selbst nach außen klappt es nicht mehr. Die Menschen wissen, dass ich lüge. Zumindest die klugen, die kritischen – ihnen fällt es auf. Innerlich graut es mir, doch was soll ich tun? Ein öffentliches Eingeständnis? Wie soll das jetzt noch gehen? Es ist schwer für jemanden wie mich, der so gerne im Rampenlicht steht und sich mit Erfolgen schmückt, sich nun als Versager zu zeigen.
Aber wie soll ich aus dieser Spirale herauskommen? Die letzten Jahre waren wie eine endlose Abwärtsspirale, die sich immer schneller drehte. Ich finde die Tür nicht, durch die ich wieder herauskomme.
Optimistan hat sich verändert. Und nicht zum Guten. Die besten Köpfe und Unternehmer verlassen das Land, namhafte Marken sind verschwunden, und der Unmut der arbeitenden Bevölkerung schlägt große Wellen gegen mein Gewissen.
Optimistan ist im Krieg. Und ich bin derjenige, der es zugelassen hat. Wie konnte ich nur so dumm sein? Denn jeder weiß, dass Frieden nur durch Frieden entsteht. Ich könnte mir selbst die Finger brechen, denn allzu schnell habe ich Partei ergriffen. Ohne abzuwägen, ohne einer eventuellen Weisheit in mir Raum zu geben.
Wir kommen aus der Lage mit den Konflikten in der Ukraine und Israel nicht mehr heraus. Und ich bin schuld daran. Optimistan hätte sich für echten Frieden einsetzen können, doch stattdessen habe ich erlaubt, dass wir Waffen und Munition liefern. Wir haben doch gar nicht die finanziellen Mittel dafür.
Über das Land Optimistan :
Oblivia ist ein Land, das sich in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Selbstvergessenheit und plötzlicher, schmerzhafter Einsicht befindet. Die Verantwortlichen des Landes haben oft die Lehren der Geschichte ignoriert, bis die Realität sie einholt. Einst war Optimistan ein Symbol für Weisheit und Blüte, doch heute ringt es mit den Schatten seiner Entscheidungen. Während die Vergangenheit allzu oft in Vergessenheit geriet, kämpft das Land nun mit den Konsequenzen seiner eigenen Handlungen und Entscheidungen.