Ich sitze hier,
meine liebe Schwester, mein Blut, und ich merke jetzt, in dieser stillen Einsamkeit, wie sehr ich dich vermisse. Es war so taktlos von mir, dich von unserem Fest auszuladen – ein Familienfest, das uns beide hätte zusammenbringen sollen. Aber ich habe den einfacheren Weg gewählt, weil ich nicht wusste, wie ich mit dir umgehen sollte, mit deiner Art, mit deiner Andersartigkeit, die ich nicht immer verstanden habe.
Im Laufe des letzten Jahres habe ich so viel in mir getragen, ohne es dir zu sagen. Ich habe Verletzungen gesammelt, wie kleine Kieselsteine, und sie in mir immer schwerer werden lassen. Da war dieser Moment, als du eine Verabredung hast ausfallen lassen. Für dich war es vielleicht nichts Großes, ein Versehen, ein kleiner Fehler. Aber für mich hatte es Folgen. Es hat mich verletzt, weil ich es als Zeichen gesehen habe, dass ich dir nicht wichtig genug bin. Und statt dir davon zu erzählen, habe ich geschwiegen. Ich habe so getan, als wäre alles in Ordnung, während ich in mir immer unzufriedener wurde.
Es war nicht nur dieser eine Moment. Ich habe über die Zeit viele solcher kleinen Steine gesammelt – Momente, in denen ich mich unverstanden, übersehen, oder allein gelassen gefühlt habe. Und anstatt mit dir darüber zu sprechen, habe ich sie einfach in mir getragen, habe sie gekocht und schmoren lassen, bis ich irgendwann selbst nicht mehr wusste, wie ich dir begegnen soll.
Und dann kam dieses Fest. Unser Familienfest. Ich habe dich eingeladen, und gleichzeitig wusste ich tief in mir, dass ich diese Einladung aus Angst wieder zurückziehen würde. Ich habe es getan, weil ich mit all diesen unausgesprochenen Dingen nicht umgehen konnte, weil ich nicht wusste, wie ich dir in die Augen sehen soll, ohne dass all das zwischen uns steht. Es war einfacher, dich auszuladen, als mich meiner Angst zu stellen. Aber das war falsch. Und es tut mir leid.
Es tut mir leid, dass ich nicht den Mut hatte, dir zu sagen, was in mir vorgeht. Dass ich die Tür zu diesem Fest und zu dir zugeschlagen habe, anstatt sie offenzuhalten. Es tut mir leid, dass ich dich ausgeschlossen habe, obwohl ich dich doch so sehr vermisse. Du bist meine Schwester. Du bist ein Teil von mir. Und ich möchte, dass wir diese Distanz, die ich geschaffen habe, wieder überwinden können.
Ich weiß, dass Worte allein nicht reichen. Aber ich hoffe, sie können ein Anfang sein. Ein Anfang, um dir zu zeigen, dass ich unsere Verbindung nicht aufgeben möchte. Bitte sag mir, wie ich es wieder gutmachen kann. Wie wir wieder zueinanderfinden können.
Ich möchte dich nicht verlieren, Schwester.