Am Montag, den 7. Oktober feiere ich meinen 62. Geburtstag, und dieser besondere Tag steht für viel mehr als nur ein weiteres Lebensjahr. Es ist der Abschluss einer intensiven Zeit des Wandels und der Transformation, die mein Leben in den letzten zwei Jahren tiefgreifend verändert hat. An diesem Tag möchte ich über Mut sprechen – den Mut, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und durch Schmerz und Verlust hindurchzuwachsen, weiter getrost zu bleiben, auch wenn wir nicht wissen, wie es gerade weiter gehen kann.
Vor zwei Jahren habe ich die Entscheidung getroffen, mein äußeres Erscheinungsbild und mein inneres Selbst neu zu gestalten. Nach vielen Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, in der ich mich dem Bild einer eher männlich wirkenden Frau angepasst hatte, begann ich, meine Haare wachsen zu lassen, Kleider zu tragen und mich für männliche Energie in meinem Leben zu öffnen.
Einer der entscheidenden Schritte und Moment in den letzten 2 Jahren war die Begegnung mit Josef. Wir lernten uns kennen und lieben. Ich lernte nun ganz neue Seiten an mir kennen.
Wir begannen, gemeinsam einen neuen Weg zu gehen, und ich begleitete ihn ebenso in einem entscheidenden Abschnitt seines Lebens, wie er in meinem.
Ein Symbol dieser Zeit ist der blaue Anzug, den ich für Josef auswählte, als er beruflich einen Neuanfang wagte. Dieser Anzug stand für Aufbruch, neue Perspektiven und Hoffnung. Doch plötzlich kam alles anders: Josef verstarb, noch bevor wir unseren gemeinsamen Weg richtig beginnen konnten. Es folgten Monate der intensiven Trauer. In dieser Zeit habe ich mich oft gefragt, was ich mit diesem blauen Anzug tun soll. Andere Dinge weggegeben. Aber der blaue Anzug blieb bei mir.
Heute, an meinem 62. Geburtstag, zeige ich das Bild von mir in diesen Anzug. Mit meinen langen Haaren sitze ich nun da und schaue anders in die Welt.
Ich präsentiere mich nun das erste Mal in diesem Anzug und sende dieses Bild in die Welt, welches den Mut und die Kraft zeigt, weiterzugehen. Denn dieser Anzug steht für mehr als nur ein Kleidungsstück – er symbolisiert die tiefgreifende Transformation, die ich durchlebt habe. Er erinnert mich daran, dass wir den schweren Aufgaben des Lebens nicht ausweichen dürfen, sei es Schmerz, Verlust oder der Tod. Wir müssen uns ihnen stellen, durch sie hindurchgehen und am Ende etwas Neues entstehen lassen. Dieses Neue ist mächtiger und größer als ich damals dachte…ahnte.
Mut entsteht durch Selbstreflexion und die Akzeptanz unserer Ängste, was uns ermöglicht, unsere innere Stärke zu erkennen und Raum für Heilung zu schaffen. Zudem stärkt der Austausch mit anderen und das Setzen kleiner Ziele unser Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ermutigt uns, Schritt für Schritt voranzugehen
Die Fragen, die mich in der Zeit der Trauer und des Wandels begleitet haben, waren schwer und tiefgehend. Doch dieser Prozess hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Der blaue Anzug, den ich heute trage, ist für mich ein Zeichen, dass Transformation möglich ist, auch wenn es schmerzt. Es ist nie zu spät, sich selbst neu zu entdecken und mutig den nächsten Schritt zu wagen.