Führung mit Tiefgang – Lektionen aus dem Modell von Susan Batson

In der Führung geht es oft um Strategien, Entscheidungen und Zielsetzungen. Doch wahre Führung, vor allem auf hoher Ebene, verlangt mehr: Sie erfordert Tiefe, Verständnis für menschliche Antriebe und die Fähigkeit, authentisch und kraftvoll zu führen. Die Schauspielcoachin Susan Batson hat mit ihrem Modell aus „Need“, „Public Persona“ und „Tragic Flaw“ einen Ansatz geschaffen, der weit über das Schauspiel hinaus geht und auch in der Führung kraftvolle Erkenntnisse bietet.
Batson lehrte mich, wie man Charaktere ganzheitlich und authentisch versteht – und genau dieser Ansatz lässt sich auf die Führungsarbeit übertragen. Denn Führungsstärke zeigt sich nicht nur in der Fähigkeit, Visionen zu formulieren, sondern auch in der Fähigkeit, Menschen in ihrer gesamten Komplexität wahrzunehmen und zu inspirieren.

Hier ein Blick darauf, wie die drei Schlüsselelemente aus Batsons Modell – Bedürfnis, öffentliche Persona und tragischer Makel – für eine tiefere und nachhaltige Führung angewendet werden können:

Need (Bedürfnis): Das innere Bedürfnis als Führungskraft erkennen

Jeder Mensch hat ein tiefes Bedürfnis, das ihn antreibt – eine Art inneren Motor, der Entscheidungen und Handlungen lenkt. Batson beschreibt das Bedürfnis als den zentralen Antrieb, ohne den es schwer ist, aufrichtig und authentisch zu agieren. Auch in der Führung spielt das innere Bedürfnis eine entscheidende Rolle: Was ist es, das mich als Führungskraft antreibt? Warum möchte ich führen, welche Werte vertrete ich? Die Reflexion über das eigene Bedürfnis kann Klarheit und Authentizität bringen.
Führung auf hoher Ebene verlangt, dass wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen und uns bewusst werden, was uns antreibt und wie wir diesen Antrieb als positive Kraft in der Zusammenarbeit mit anderen nutzen können. Wenn wir unser eigenes Bedürfnis kennen und anerkennen, strahlen wir eine Überzeugungskraft aus, die andere inspiriert und mitreißt.

Public Persona (Öffentliche Persona): Die Maske der Führung

In der Öffentlichkeit tragen Führungskräfte eine Persona – ein Selbstbild, das sie dem Unternehmen und der Welt präsentieren. Diese Persona vermittelt Selbstvertrauen, Expertise und Stärke, doch es ist wichtig, dass sie authentisch bleibt und nicht zur Fassade verkommt. Batson zeigt, wie Charaktere ihre Persona als Schutz oder Maske nutzen, um das innere Bedürfnis zu verbergen.
Auch Führungskräfte setzen oft eine Persona ein, um den Erwartungen gerecht zu werden. Doch echte Führungsstärke erfordert, dass die öffentliche Persona und das innere Bedürfnis übereinstimmen. Eine Persona, die allein aus Erwartungen und Projektionen besteht, verliert an Glaubwürdigkeit. Menschen folgen Führungspersönlichkeiten, die authentisch sind und auch ihre verletzliche Seite zeigen – die nicht nur die Maske der Perfektion tragen, sondern auch ihre menschliche Seite präsentieren.

Tragic Flaw (Tragischer Makel): Verletzlichkeit als Stärke

Der „tragische Makel“ ist laut Batson die menschliche Schwäche oder Verletzlichkeit eines Charakters, die ihm Tiefe und Menschlichkeit verleiht. Im Kontext der Führung bedeutet dies, dass eine Führungskraft ihre eigenen Schwächen anerkennt und akzeptiert. Der tragische Makel erinnert uns daran, dass niemand unfehlbar ist.
Gerade auf hoher Ebene ist es wichtig, sich nicht nur als unantastbare Führungskraft zu sehen, sondern auch die eigenen Schwächen und Herausforderungen anzuerkennen. Diese Verletzlichkeit macht uns menschlich und schafft Raum für Empathie und Vertrauen. Menschen fühlen sich eher zu einem Leader hingezogen, der authentisch ist und auch seine eigene Unvollkommenheit zeigt. Statt Perfektion vorzutäuschen, geht es darum, anderen zu zeigen, dass Wachstum und Lernen auf allen Ebenen stattfinden – und dass wahre Stärke darin liegt, sich weiterzuentwickeln und an den eigenen Fehlern zu arbeiten.

Führung mit Tiefgang – eine Einladung zur Selbstreflexion

Das Modell von Susan Batson lehrt uns, dass authentische Führung von innen kommt. Auf hoher Führungsebene geht es darum, die eigene Motivation zu erkennen und klar zu kommunizieren, die öffentliche Persona mit Authentizität zu füllen und die Verletzlichkeit als natürlichen Teil des Menschseins anzuerkennen. Wenn wir diesen Weg einschlagen, entsteht eine Führungsqualität, die nicht nur effizient ist, sondern auch mit menschlicher Tiefe und wahrer Überzeugungskraft erfüllt.
Letztlich ist dies eine Einladung zur Selbstreflexion: Sich bewusst zu machen, wer wir sind, warum wir führen und welche Werte wir vertreten. Führung mit Tiefgang bedeutet, sich mit Mut und Authentizität zu zeigen – als Mensch, als Leader und als Vorbild.

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