Eine Beisetzung.
Von vielen.
Mein Lieblingsbestatter hat alle Hände voll zu tun. Wir reden über den Tod und die Möglichkeiten, ihn anzunehmen. Könnten ewig zusammen sitzen. Es gibt wenig Menschen, die hier viel zu erzählen haben, wie er und ich. Doch er muss weiter – ich auch.
Also?
Was tue ich am Vorabend der Beisetzung meines Geliebten, Gefährten und Verlobten?
Ich resümiere und gebe dem Raum, was sonst im Alltag untergeht. Diesen schaufele ich seit Wochen frei – mache die Tage einfach länger. Schlaf brauche ich viel, doch verlange ich von den Tagen weitaus mehr als sonst. Ora et labora.
Es gibt so viel zu tun. Das Leben wartet nicht – auch wenn der Tod plötzlich alles auf die Probe stellt.
- Weihnachtskonsum ist unwesentlich.
- Kekse backen brauch ich nicht – ein Freund schickt mir einen Dresdner Stollen. Das reicht allemal. Dann sitze ich an den Tischen der Familie und der Freunde. Ziehe später in Richtung Norden und schreibe. Dann koche ich pur und esse Äpfel, Möhren, Brot und eine Suppe. Die andere Nahrung zählt.
- Die Fugen ruckeln sich neu, der Nachhall des Erlebten zieht neue Lichter über die bisherigen Nebelbänke des Alltags in diesem Dezember. Die Wintersonnenwende bekommt ein neues Gewand.
- Ich wähle die Gedichte aus, die ich morgen vorlesen werde. Dabei verschlucke ich mich an meinen eigenen Tränen. Und lache auch – wenn ich unsere Abenteuerlust und unseren Übermut in den gedruckten Zeilen finde.
- Ich lege mir die Kleidung heraus, in der er mich am liebsten mochte. Gut, nackt kann ich bei dieser Witterung nicht in den Wald zum Ruheforst gehen. Also wird es der bunte Rock, den wir vor kurzem in Stein am Rhein gekauft haben. Er mochte ihn und ich auch. Das war einer der schönsten Tage meines Lebens.
- Ich nehme beide Trommeln mit, seine neue, die ich für ihn hab anfertigen lassen und meine, die seit Jahren mein Begleiter ist. Sie passen gut zusammen. Seine klingt erdig, das passt gut zu seiner Stimme.
- Ich telefoniere mit meinen nächsten Freundinnen, die wissen, wie es mir geht. Bin also wohl geleitet.
- Mache mir ein einfaches Essen. Wirsing. Der Blick aus der Küche geht endlich wieder auf das Feld mit den Kranichen. Gut so. Dann schmeckt auch der Wirsing. Im leichten Dunkel sehe ich noch einen weißen Reiher.
Ganz ähnlich – denke ich – wie die Vorbereitung von Vorträgen und Trainings. Storyboard. Angebot. etc. Auch hier richte ich Utensilien und Kleidung. Folge der selbst erstellten Packliste.
Doch – es ist anders. Alles ist anders. Kein Mikro. Kein Kunde. Nur Du und die, die Dich lieben. Und mich. Die #WitweohneTrauschein. Und diejenigen, die deine Fußabdrücke in diesem Leben sehen. Diejenigen die da waren, als klar wurde, dass es Zeit ist, in den Spiegel zu schauen und sich so zu sehen, wie Du wirklich bist. Wandelzeit. So, wie Dich das Leben prüfte und beschenkte. Mit nötigen Umwegen, Sonnenuntergängen und den ersten Sandburgen deines Lebens. Dann zeigen sie sich, die wahren Gesichter der Menschen.
Mein Schmerz – meine Liebe – meine Demut und Dankbarkeit sind einzigartig. Für dich. Durch dich.
Wohlwissend, dass ich mich nicht wirklich auf das vorbereiten kann, was mich morgen erwartet, gehe ich in kleinen, feinen Schritten weiter, die ich seit nunmehr 3 Wochen gehe. Packe meine Sachen. Schreibe diesen Text. ……
Primär bereite ich die Feier vor und wähle Worte aus dem Kosmos meiner Liebe und Trauer. Klingt cool, oder? Ist es aber nicht. Inmitten der Texte purzeln deine steten Liebeserklärungen. Das alleine wären Bücher. Meterweise. Wonniglich.
Sammele mich in den Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit, aber auch in denen deiner Erzählungen, geliebter Josef. Male neue Bilder von dir in meinem Kopf. Staune, verzichte auf jedes Richten. Und beginne neu. Jeden Moment.
Hinterfrage.
Ich sichte deine Notizen, die Du mir gegeben hast, lese unsere Nachrichten und verfalle in Demut. Gehe unsere Abende und Morgende durch. Muse du.
Kritiker. Macher. Zimmermann. Liebender. Rocker. Katzenbestatter. Prinz. Bauleiter. Verlobter.
Erinnere mich wie noch nie. Wann jemals war das Leben so dicht, intensiv, zaghaft und produktiv zugleich, wie in diesen 8 Monaten?
Heilsam sind die Gespräche mit den Menschen, die keine Angst haben, über den Tod zu sprechen. Wir springen über alle Facetten der Emotionen- jenseits der Lehrbücher über emotionale Intelligenz.
So wie Josef und ich. Das taten wir von Anfang an. Die Sichtung unserer Schatten war unser Alltag. Wärmequelle für Wachstum und Heim zugleich.
Alles scheint im Fluss, fügt sich weiter, der Weg tut sich auf. Die inneren Werte sind der lebendige Kompass. Wie in der Führung von Menschen und sich selbst.
„Das Leben lebt sich selbst“, singt Trollius Weiss, der genau mit diesem Song unsere Liebe & Zeit begleitete. Er steht aber für vieles, was uns allen im Alltag widerfährt. Du kannst nicht alles kontrollieren, auch wenn Du es möchtest. Das Leben führt Regie.
Wenn das Schicksal offensichtlich die Koordinaten deines Logbuchs bestimmt, dann redest Du nicht mehr über die Zenite der Komfortzonen.
So ist dieser Vorabend der Beisetzung meines Gefährten ein Sinnbild für vieles, was wir oft noch versuchen zu kontrollieren.
Das wahre Leben beginnt, wenn wir die Zügel loslassen, wenn wir im Dunkel tappen und zum eigenen Licht werden. Und ist das ist dann der Focus, die Quelle, die Richtschnur.
Ich danke Josef für jeden Moment dieser 8 Monate, Du lehrst mich weit über deinen Tod hinaus, was es heißt, dem Leben und dem Tod Würde zu geben. Einer der besten Lehrmeister, die es gibt. Das wird sich morgen noch einmal mehr zeigen. Ich hoffe auf Dein Geleit. Wenn nicht, darf ich weiter lernen.
- Hier gibt es keinen Call to action Button.
- Hier gibt es das Leben. Mich. In Worten.
Nimm es mit. In diese Weihnachten. In diese Wintersonnenwende. In dieses Jahr.
Finde deine eigenen Antworten und (oder) Fragen. In Liebe, Barbara
P.S. Wenn Du ein signiertes Exemplar der Liebesbotschaften möchtest, sende mir einfach eine Email an meinbuch@barbara-messer.de