Stilles Geständnis einer Bankmitarbeiterin – Stefanie

Als ich heute Mittag in die Augen dieser Frau sah, die mir in meinem kleinen Büro gegenübersaß, ihre Handtasche auf- und zuklappte und mir erzählte, wie krank ihr Mann ist und dass sie das Darlehen nicht mehr bezahlen kann, hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

Ich musste raus. Schnell zur Toilette, einen Schluck Wasser trinken, mich erholen, atmen. Hätte ich noch geraucht, hätte ich jetzt eine Zigarette gebraucht. Aber nichts hätte dieses Gefühl weggemacht, dieses Ziehen in meiner Brust, dieses dumpfe Dröhnen in meinem Kopf. Ich habe noch niemals so verzweifelte Augen gesehen wie die dieser Frau, die mit ihrem kranken Mann zu Hause sitzt und nicht mehr weiß, wie sie die nächste Rate stemmen soll.

Seitdem sitze ich hier an meinem Tisch, spitze meine Bleistifte an – obwohl sie längst spitz genug sind – und merke, was ich da eigentlich tue. Mir wird schlecht. Ich will aufstehen, gehen, raus aus dieser Bank, raus aus diesem System, raus aus allem. Ich will weg, auf eine Insel, etwas völlig anderes tun.

Was habe ich all die Jahre gemacht? Menschen Geld aus der Tasche gezogen, ihnen eine rosa Brille aufgesetzt, ihnen Träume vorgegaukelt, während ich sie still und leise in die Unfreiheit geführt habe. Ich habe sie in Kredite gedrängt, die ihr Leben ruiniert haben.

Und dabei weiß ich doch selbst, wie wichtig Freiheit ist. Ich liebe meine Freiheit. Meine Unabhängigkeit. Wie gerne reise ich, wie gerne entdecke ich Neues, wie gerne lasse ich mich treiben. Und trotzdem habe ich anderen genau das genommen. Ich habe Verträge aufgesetzt, die sie gefesselt haben.

Ich schäme mich. Tief. Ich kann mich noch nicht entschuldigen – nicht jetzt. Denn ich schäme mich vor mir selbst. Weil ich genau weiß, dass ich so nicht behandelt werden möchte.

Was tue ich jetzt? Ich weiß es nicht. Erst einmal spüre ich, was ich angerichtet habe. Und dann gehe ich eine Woche ins Kloster. Ich muss horchen, tief in mich hinein. Wer bin ich geworden? Wer hat mich zu dieser Geldgier getrieben, die nicht einmal meine eigene ist? Es geht nicht um mein Geld. Es geht um meine Karriere, mein Vorankommen. Vielleicht übernehme ich die Filiale, vielleicht bekomme ich die Stelle. Aber zu welchem Preis?

Wie viel Unglück habe ich verursacht, weil ich meine Karriere wichtiger fand als die Menschen, die mir vertraut haben?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich schäme. Und dass ich ins Kloster gehe. Und dass danach irgendetwas anders sein muss.

Meine Güte, was für ein Kniefall vor mir selbst. Wie schmerzhaft ist das?
Aber es ist notwendig. Und es ist wichtig, dass es jetzt passiert.

In tiefem Eingeständnis,
Stefanie

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