Liebes Volk von Steuervanien,
gestern habe ich mir ein Eis gekauft. Eine Kugel. 3,50 Euro. Ich habe bezahlt, ohne nachzudenken. Mein Portemonnaie ist immer gut gefüllt – nicht wegen meiner Effizienz, sondern wegen eurer Geduld. Denn ich weiß: Es ist leicht, großzügig zu sein, wenn man nicht mit dem eigenen Geld wirtschaftet.
Auf dem Weg zum Kiosk sah ich Rentner, die Pfandflaschen sammelten. Ein unangenehmes Gefühl kroch in mir hoch. Ein Gefühl, das sagt: Hier stimmt etwas gewaltig nicht. Denn während ich mühelos 3,50 Euro für eine Kugel Eis hinblättere, kratzt ihr mühsam Münzen zusammen, um durch den Monat zu kommen. Und warum? Weil wir in Steuervanien das Geld mit beiden Händen ausgeben – und zwar nicht dort, wo es gebraucht wird.
Wir Politiker planen mit Milliarden, als wären es Spielchips. Das Geld fließt in Projekte, deren Sinn niemand mehr erklären kann. Schulen verfallen, Krankenhäuser pfeifen aus dem letzten Loch, und auf unseren Straßen fühlt man sich wie auf einer Buckelpiste. Aber das sind ja nur Details, nicht wahr? Solange es nicht unsere persönlichen Konten betrifft, ist es so einfach, weiterzumachen. Wir jonglieren mit Schulden und hoffen, dass niemand merkt, dass uns längst die Kontrolle entglitten ist.
Ich stehe vorne an, ja. Nicht als Held, sondern als jemand, der lange weggeschaut hat. Unsere Verantwortungslosigkeit wiegt schwerer als die Schulden, die wir auftürmen. Denn am Ende des Tages sind es eure Schulden, nicht unsere. Es ist euer Eis für 3,50 Euro. Es sind eure kaputten Straßen, eure maroden Schulen, eure leeren Rentenkassen. Und ich muss mir eingestehen: Wir haben uns verkalkuliert. Nicht nur bei den Finanzen, sondern bei der Frage, was wirklich wichtig ist.
Dieses Geständnis ist noch keine Entschuldigung. Aber vielleicht ein Schritt dahin, Verantwortung nicht länger wie ein heißes Eisen weiterzureichen. Ich beginne zu begreifen, dass jeder Euro, den wir ausgeben, euer Euro ist – nicht meiner.
Steuervanien, ich habe Mist gebaut. Und diesmal zahlt nicht ihr die Rechnung – diesmal zahle ich mit dem Verlust eures Vertrauens.
Euer Finanzminister,
Der Reumütige.
Steuervanien: Ein Land, dessen Bewohner in den Schatten von Steuern und Abgaben leben, stets bangend vor der nächsten Erhöhung