„Veränderung, das machen wir im Herbst.“
Ein Satz, der in vielen Besprechungsräumen und Führungsetagen fast schon reflexartig fällt. Vorher sei keine Zeit – erst kommt Ostern, dann Himmelfahrt, die Frühlings- und Sommerfeste, gefolgt von den Sommerferien. Und danach? Danach ist ja Herbst. Oktober. November. Dann, ja dann können wir uns Gedanken machen. Dann ist der richtige Moment. Vielleicht.
So oder so ähnlich klingt es immer wieder, wenn es um Veränderung geht. Sie wird auf einen vermeintlich besseren Zeitpunkt verschoben. Auf später. Auf irgendwann. Veränderung soll planbar sein, am besten mit Einladungen, einem Zeitfenster im Kalender und einer PowerPoint-Präsentation dazu. Bis dahin wird weitergemacht wie bisher. Routinen verwalten sich selbst. Kalender füllen sich automatisch. Wir hangeln uns von Meeting zu Meeting, Tag für Tag.
Doch was sich da unter dem Etikett „Veränderung“ oft präsentiert, ist in Wahrheit Selbstverwaltung. Spielarten eines Systems, das sich selbst genügt. „Change-Prozesse“, die so langatmig und ritualisiert sind, dass sie längst keine Prozesse mehr sind – sondern der neue Normalzustand. Veränderung wird inszeniert, doch nicht gelebt. Es entstehen Gremien, Taskforces, Projektgruppen – aber keine wirkliche Bewegung. Statt mutigem Wandel: fein justierte Verwaltungsroutine.
Und genau deshalb braucht es etwas anderes. Eine Zäsur. Ein Innehalten. Den Mut, das ganze System einmal anzuhalten. Nicht als Pause, sondern als Ernstfall. Tacheles reden. Nicht das, was bequem ist, sondern das, was notwendig ist. Klausur – oder, wenn es sein muss, auch Zensur. Eine radikale Rückkopplung mit der Wirklichkeit: Was läuft hier eigentlich ab? Und was davon trägt noch?
Denn echte Veränderung passiert nicht irgendwann. Sie passiert nicht, wenn es gerade passt. Sie passiert nicht, wenn der Kalender leer ist. Sie passiert, wenn sie muss – und das ist jetzt.
Der Herzinfarkt kommt jetzt. Die Krise kommt jetzt. Der Einbruch, die Trennung, die Kündigung, die neue Idee – sie warten nicht auf den goldenen Oktober. Die Realität fragt nicht, ob wir gerade Zeit haben. Und doch verhalten sich viele Organisationen so, als ließe sich Wandel in Q3 oder Q4 einplanen.
Es braucht Menschen, die bereit sind, jetzt zu handeln. Nicht übermorgen, nicht nach dem Wochenende – jetzt. Menschen, die den Mut haben, Reißleinen zu ziehen. Die sich der unbequemen Wahrheit stellen: Dass Veränderung kein Workshop ist. Kein Meeting. Kein Schaubild. Sondern ein Prozess, der uns innerlich und äußerlich fordert. Und der jetzt beginnt – oder gar nicht.
Wer wirklich verändern will, muss aufhören zu verwalten. Muss bereit sein, zu unterbrechen. Den Raum zu öffnen für ehrliche Reflexion. Und dann konsequent zu entscheiden.
Denn Veränderung lässt sich nicht auf später verschieben. Später ist oft schon zu spät.